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Kolonkarzinom, familiär, nicht-polypös (HNPCC)

Kolonkarzinom, familiär, nicht-polypös (HNPCC)

 OMIM:  #120435 HNPCC1        *609309 MSH2

            #609310 HNPCC2        *120436 MLH1

            #614350 HNPCC5        *600678 MSH6

            #614337 HNPCC4        *600259 PMS2

Das kolorektale Karzinom (CRC) gehört zu den häufigsten Tumorerkrankungen der westlichen Industrienationen. Bei etwa 10% der Fälle ist eine familiäre Häufung zu beobachten, die in der Regel durch eine Manifestation vor dem 50. Lebensjahr gekennzeichnet ist. Die häufigste Form des hereditären CRC ist das HNPCC-Syndrom („heriditary nonpolyposis colorectal cancer“, auch Lynch-Syndrom genannt). Das kumulative Lebenszeitrisiko für die Entwicklung von Tumoren liegt bei etwa 80%. Neben dem erhöhten Risiko für ein CRC besteht ein erhöhtes Risiko extrakolonischer Neoplasien. Dies sind v.a. Karzinome des Endometriums, der Ovarien, des Magens, des Urothels, der Gallengänge und des Dünndarms.

HNPCC wird durch Mutationen in den DNA-Reparaturgenen (Mismatch-Repair-Genen, MMR-Genen hervorgerufen. Im Vordergrund stehen hierbei Mutationen in den Genen MLH1 (50% d. F.), MSH2 (40% d. F.), MSH6 und PMS2.

 

Indikation

Die Diagnose HNPCC wird klinisch gestellt, wenn die sogenannten Amsterdam-II-Kriterien erfüllt sind (Vasen et al. 1999):

  • Vorangegangener Ausschluss einer Familiären adenomatösen Polyposis (FAP)
  • mindestens 3 Familienangehörige mit HNPCC-assoziiertem Karzinom (Endometrium, Dünndarm, Urothel, Kolorektum, Hepatobiliär), einer davon Verwandter 1. Grades der beiden anderen Betroffenen
  • Erkrankungen in mindestens 2 aufeinanderfolgenden Generationen
  • mindestens 1 Patient mit der Diagnose kolorektales Karzinom vor dem 50. Lebensjahr.

Jedoch zeigte sich, dass Patienten mit einer Keimbahnmutation in einem der DNA-Reparaturgene in max. 60% der Fälle die Amsterdam-Kriterien erfüllten. Um auch die übrigen Patienten zu erfassen wurden die revidierten Bethesda-Kriterien eingeführt, wobei hier nur eines der Kriterien erfüllt sein musste (Umar et a. 2004):

  • Kolorektales Karzinom bei einem Patienten, Erstdiagnose vor dem 50. Lebensjahr
  • Synchrone/metachrone Kolon-/Rektumkarzinome oder HNPCC-assoziierte Karzinomerkrankungen (Endometrium, Nierenbecken/Ureter, Dünndarm, Magen, Pankreas, Gallengang, Ovar, hepatobiliäres System und Gehirn – üblicherweise Glioblastome, Talgdrüsenadenome und Keratoakanthome) unabhängig vom Alter 
  • Kolorektales Karzinom mit MSI-H typischer Morphologie, diagnostiziert bei einem Patienten vor dem 60. Lebensjahr
  • Patient mit kolorektalem Karzinom und mindestens einem erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziierten Tumor (s.o.), mit mindestens einem Tumor, dessen Erstdiagnose vor dem 50. Lebensjahr gestellt wurde
  • Patient mit kolorektalem Karzinom und mindestens zwei erst- oder zweitgradig Verwandten mit HNPCC-assoziierten Tumoren (s. o.), unabhängig vom Erkrankungsalter

 

Diagnostik

Die HNPCC-Diagnostik erfolgt in der Regel stufenweise. Erfüllt der Indexpatient eines der revidierten Bethesda-Kriterien erfolgt zunächst die Untersuchung des Tumorgewebes mittels Immunhistochemie (IHC) bzw. eine Testung auf Vorliegen einer Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Bei Nachweis von Mikrosatelliteninstabilitäten oder Nachweis eines immunhistochemischen Expressionsverlustes eines DNA-Reparaturproteins im Tumor kann auf eine Keimbahnmutation der MMR-Gene aus einer Blutprobe des Patienten untersucht werden.

Für die direkte molekulargenetische Analyse der 4 HNPCC-Gene ohne vorhergehende Diagnostik am Tumor müssen alle Amsterdam-II-Kriterien (siehe oben) erfüllt werden.

Die Mutationsanalyse wird an einer Blutprobe des betroffenen Patienten und Vorliegen einer schriftlichen Einverständniserklärung durchgeführt.

 

Molekulargenetik

Material: 5ml EDTA-Blut

Direkte Mutationsanalyse der MMR-Gene (MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2) mittels Next-Generation Sequencing und Deletions- bzw. Duplikationsdiagnostik mittels MLPA am Indexpatienten.

Voraussetzung

  •  Immunhistochemischer Nachweis eines Expressionsverlustes eines der MMR-Proteine im Tumor

oder

  • Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität (MSI) im Tumor

 oder

  • Erfüllung der Amsterdam-II-Kriterien 

Zeitbedarf

4 bis 6 Wochen nach Probeneingang

 

Literatur

S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom [Stand 11.12.2014]
Lynch J et al. Semin Oncol Nurs 13: 91. 1997
Umar A et al. J Natl Cancer Inst 96:261. 2004
Vasen HF et al. Gastroenterology 116:1453. 1999
Steinke et al. DÄB 110:32. 2013